-Immunologie INHALT: 1. Knochen-Auf-/Abbau
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KNOCHEN-STOFFWECHSELArno HelmbergDieses Skript ist eine Lern- und Überblickshilfe zu meiner Vorlesung im Modul "Bewegungsapparat" an der Medizinischen Universität Innsbruck. Ich möchte alle Studierenden ermutigen, sich eine gute Basis an medizinischem Englisch zu erarbeiten und stelle das Skriptum daher auch in einer Englischen Version zur Verfügung. Zum Ausdruck eignet sich die pdf-Version.
Lebender Knochen wird dauernd umgebaut. Unsere
Knochen befinden sich immer nahe einem Gleichgewicht zwischen Aufbau
und Abbau. In Kindheit und Jugend überwiegt geringfügig der Aufbau bis
zum Erreichen der maximalen Knochenmasse zwischen zwanzig und dreißig,
danach der Abbau. Der dauernde Umbau hat zwei Gründe. Einerseits ermöglicht
er eine ständige Anpassung an sich ändernde Belastungen. Als Beispiel
dient die erstaunliche Leichtigkeit, mit der Kieferorthopäden durch
ständigen leichten Druck Zähne im Kiefer verschieben. Andererseits ist
ständiger Umbau notwendig für die Reparatur kleiner Risse durch dauernd
auftretende Mikrotraumen. In einer typischen mikroskopischen Knochenbaustelle
(basic multicellular unit)
wird Knochengewebe in ca. 3 Wochen durch spezialisierte Zellen, sogenannte
Osteoklasten, abgetragen. Anschließend wird diese Resorptionslakune
in etwa 3 Monaten durch Osteoblasten mit neuem Knochengewebe ausgefüllt.
Knochengewebe gibt es in zwei Formen: als substantia compacta und substantia
spongiosa. Knochen spart, so viel wie möglich, Gewicht. Nur die
äußere Schicht, die Compacta, ist massiv; bei den langen Knochen in
Form einer Röhre. Im Inneren befindet sich die Spongiosa, ein dreidimensionales
Pfeilergerüst aus Trabekeln, das dauernd umgebaut und an die wechselnden
Belastungen angeglichen wird, z. B. in den Wirbelkörpern oder an den
Enden der Röhrenknochen. Die Grundeinheit des kompakten Knochengewebes
ist das Osteon oder Havers-System. Es besteht aus einem zentralen Gefäßkanal
mit konzentrisch darum angeordneten massiven Lamellen aus mineralisierten
Fasern. Die Fasern der Knochengrundsubstanz sind in aufeinanderfolgenden
Lamellen abwechseln rechtsspiralig und linksspiralig angeordnet, was
zusätzliche Stabilität verleiht. Zwischen den Lamellen sitzen vereinzelt
Knochenzellen, Osteozyten. Für den Knochenstoffwechsel sind eigentlich
nur zwei Zelltypen verantwortlich: Osteoblasten und Osteoklasten. Osteozyten
stellen nichts anderes dar als Osteoblasten, die sich selbst eingemauert
haben. Osteozyten bleiben durch lange Zellfortsätze miteinander verbunden
und bilden so ein Netzwerk, durch das sie mittels gap
junctions Ionen weiterreichen können. Osteozyten können mechanische
Belastungen rezipieren und leiten auf diese Weise entsprechende Signale
zu den Knochen-Bautrupps weiter. Osteoblasten differenzieren aus Knochenmark-Stromazellen.
Sie produzieren die organische Knochengrundsubstanz,
die in ihrer noch nicht mineralisierten Form als Osteoid bezeichnet wird. Im
Folgenden drei funktionell wichtige Proteine aus einer wesentlich größeren Zahl
an Molekülen:
Zusätzlich nehmen Osteoblasten Ca2+
und Phosphat auf und sezernieren diese gezielt, sodass lokal eine Übersättigung
eintritt und durch Ausfallen die neugebildete Grundsubstanz mineralisiert
wird. Eine noch nicht ausreichend verstandene Rolle bei diesem Prozess
spielt die an der Außenseite der Osteoblasten-Zellmembran lokalisierte
alkalische Phosphatase, die Phosphat-Ionen möglicherweise durch Abspaltung
von phosphorylierten organischen Molekülen und durch Spaltung von Pyrophosphat
zur Verfügung stellt. Man könnte die Statik von Knochen mit der des
Stahlbetons vergleichen. Hydroxylapatit ist druckbeständig, während
die eingebauten Kollagenfasern die auftretenden Zugkräfte abfangen.
Dieses Bild hilft zu verstehen, warum Knochenabbau und Knochenaufbau
eine untrennbare funktionelle Einheit darstellen. Durch die mechanische
Belastung treten im Knochen dauernd Mikrorisse auf. Dort sind die Kollagen-("Stahl-")-Fasern
gerissen. Eine Reparatur kann an dieser Stelle nur erfolgen, wenn eine
größere Resorptionslakune gemacht wird, sodass neue, intakte Fasern
mit ausreichender Verankerung diesseits und jenseits des ursprünglichen
Risses eingebaut ("einbetoniert") werden können. Ein reines
Mineralisieren ("Vergipsen") des Risses würde die ursprüngliche
Belastbarkeit nicht wiederherstellen. Analog gibt es seltene genetische
Erkrankungen, bei denen durch einen Defekt im Knochenabbau-Mechanismus
zwar sehr dichter, aber trotzdem fragiler (leicht brechender) Knochen
entsteht, da er durch zahlreiche unzulänglich reparierte ("vergipste")
Mikrorisse durchzogen ist (Osteopetrose oder Marmorknochenkrankheit). Wenn Osteoblasten sich selbst vollkommen eingemauert haben, ändern sie ihr Expressionsmuster und werden Osteozyten. Osteozyten sezernieren Sclerostin, das auch Osteoblasten in der unmittelbaren Umgebung daran hindert, weiter Knochensubstanz zu bilden, indem es deren LRP5/6-Rezeptor und damit den Wnt-Signalweg blockiert. Sclerostin fördert also die "Sklerose", die Erstarrung des Knochens. Faktoren, die Knochenumbau fördern, wie mechanische Belastung, Parathormon und Prostaglandin E hemmen die Sclerostinproduktion. Pharmakologische
Querverstrebung: Romosozumab ist ein monoklonaler Antikörper, der Sclerostin bindet und inaktiviert. In der Entwicklungsphase
zeigte er gute Wirksamkeit gegen osteoporotische Frakturen, allerdings gab es
im Vergleich zu Kontrollen mehr unerwünschte kardiovaskuläre Ereignisse. Romosozumab
wurde 2019 unter Auflagen zugelassen.
Osteoklasten sind große, mehrkernige Zellen, die im Knochenmark
aus hämatopoetischen Vorläuferzellen entstehen. Die Entwicklungsreihe
ist dieselbe, die zur Entstehung von Makrophagen und neutrophilen Granulozyten
führt. Eine Reihe von Zytokinen kann die Differenzierung dieser Vorläuferzellen
zu Osteoklasten auslösen. Das einfachste Signalmuster besteht aus M-CSF
(macrophage colony stimulating
factor) und RANKL (erklärt im Abschnitt Parathormon), die beide
von Osteoblasten gebildet werden. Doch auch Zytokine, die im Rahmen
von Entzündungen vor allem von Makrophagen gebildet werden, verstärken
die Osteoklastendifferenzierung: IL‑1, IL‑6, TNFα und
Prostaglandin E. Der Knochenabbau erfolgt wie ein lysosomaler Abbau
durch Ansäuerung und Aktivierung von Hydrolasen, nur eben extrazellulär.
Osteoklasten schließen wie eine Saugglocke einen bestimmten Bereich
mineralisierter Knochenoberfläche ab und säuern ihn durch eine Protonenpumpe
an. Zum intrazellulären Säure-Basen-Ausgleich transportieren sie HCO3− an ihre Rückseite. Die Ansäuerung führt zur Auflösung der Hydroxylapatit-Kristalle
und löst damit Ca2+ aus dem Knochen. Eine konzertierte Steigerung
der Osteoklasten-Aktivität steigert daher die extrazelluläre Ca2+–Konzentration.
Proteasen mit einem pH-Optimum im sauren Bereich wie Kathepsin K bauen
die freigeschmolzene Proteinmatrix ab.
Längenwachstum der Röhrenknochen ist nicht im eigentlichen Knochen möglich, sondern erfolgt im Knorpel der Epiphysenfuge. Es lassen sich drei Zonen von Chondrozyten unterschiedlicher Differenzierung beobachten. In allen drei Zonen sezernieren die Chondrozyten Proteine und Proteoglykane, welche die extrazelluläre Knorpelmatrix zusammensetzen, wie Kollagen und Aggrecan. Nahe der Epiphyse befindet sich die Reservezone mit Chondrozyten, die als Vorläuferzellen fungieren. Als nächstes kommt die Proliferationszone, in der die räumliche Orientierung der Zellteilung lange Chondrozytensäulen parallel der Längsachse des Knochens entstehen lässt. Diese Zellen produzieren das für hyalinen Knorpel typische Kollagen Typ II. Zur Metaphyse hin folgt die hypertrophe Zone, in der die Chondrozyten terminal differenzieren, an Volumen zunehmen und Kollagen Typ X und VEGF (vascular endothelial growth factor) sezernieren. An der Grenzzone sterben die hypertrophen Chondrozyten ab. Das sezernierte VEGF führt zum Einsprossen von Gefäßen. Der bestehende Knorpel wird zunächst mineralisiert (chondrale Ossifikation), jedoch bald sekundär durch einwandernde Osteoklasten und Osteoblasten zu lamellärem Knochen umgebaut. Auf diese Weise führt Knorpelwachstum in der Epiphysenfuge zum Längenwachstum des Knochens. Dieser Prozess wird komplex reguliert. Genomweite Assoziationsstudien (GWAS) haben etwa 200 Genloci ergeben, die die Körpergröße des Menschen beeinflussen. Die Proliferation der Chondrozyten wird sowohl durch eine große Zahl an parakrin wirkenden Faktoren, z. B. einen Gradienten von BMPs (bone morphogenetic proteins) oder C-type natriuretic factor, als auch durch viele endokrine Faktoren, wie Wachstumshormon, IGF‑1, Geschlechtshormone und Leptin, beeinflusst. Die endokrinen Faktoren stellen sicher, dass rasches Wachstum nur dann erfolgt, wenn ausreichend Nahrung zur Verfügung steht. Ein zweiter
Knochenentstehungsmechanismus, desmale Ossifikation, ist die direkte
Umwandlung von Bindegewebe zu Knochen. So entstehen große Teile des
Schädels; auch die Heilung von Knochenbrüchen erfolgt auf diesem Weg. 2.
REGULATION DES KNOCHENSTOFFWECHSELS
2.1 Calcium-
und Phosphat-Haushalt
Mit dem Calcium- und Phosphat-Haushalt haben wir uns bereits einmal, in Zusammenhang mit der Niere, befasst. Nun betrachten wir ihn hinsichtlich seiner Wechselwirkung mit unseren Knochen. 2.1.1
Lösliches Ca2+, Hydroxylapatit und
Calcitonin
Calcium (Ca2+) ist im Körper in riesigen
Mengen enthalten, da es ein Hauptbestandteil unserer Knochen ist. Andererseits
feinregulieren wir die relativ niedrige extrazelluläre Ca2+-Konzentration
zur Steuerung außerordentlich heikler Funktionen, ganz zu schweigen
von der Bedeutung der noch einmal weit niedrigeren intrazellulären Konzentrationen.
Der Grund dafür, dass beides gleichzeitig möglich ist, liegt in dem
niedrigen Löslichkeitsprodukt von Ca2+ und Phosphat (PO43-): hat man eines der beiden Ionen
in Lösung und gibt das Zweite hinzu, fällt der Großteil als Calciumphosphat
aus. Im Knochen finden wir die beiden Ionen gemeinsam
mit einem Hydroxyl-Ion (OH-)
in der Form des sehr harten Minerals Hydroxylapatit Ca5(PO4)3(OH),
das hexagonale Kristalle bildet. Hydroxylapatit macht bis zu 70% des
Knochengewichts aus; Zahnschmelz besteht fast ausschließlich aus dem
außerordentlich harten Mineral, das der Zahnoberfläche ihre mechanische
Widerstandsfähigkeit verleiht. Das hat einen Nachteil: Hydroxylapatit
ist, wie erwähnt, empfindlich gegen Säuren. Über denselben Mechanismus,
mit dem Osteoklasten Hydroxylapatit abbauen, wird Zahnschmelz durch
Säure im Mund angegriffen. Beißt man in eine Orange, oder setzen Bakterien
im Zahnbelag Zucker zu Milchsäure um, reißt ein Proton H+
das OH- heraus,
um ein Wassermolekül H2O zu bilden, und der Rest zerfällt
in 5 Ca2+ und 3 PO43- Ionen: das Hydroxylapatit löst sich auf. Im Endeffekt entsteht
durch diesen Prozess Karies. Wesentlich weniger löslich in saurem Milieu
ist das Molekül, wenn das OH-
Ion durch ein Fluoridion F- ersetzt wird: Fluorapatit Ca5(PO4)3F.
Fluorapatit entsteht spontan, wenn genügend Fluoridionen vorhanden sind,
was durch Fluoridzusatz in Zahnpasta, Salz oder, in manchen Ländern,
in Trinkwasser erreicht werden kann. Die Konzentration von Ca2+ im Blutplasma
wird im schmalen Band von 2.2 bis 2.7 mM reguliert. Dieses gemessene
Ca2+ stellt die Summe dreier Formen dar: an Protein, hauptsächlich
Albumin, gebundenes (ca. 45%), mit kleinen organischen Anionen komplexiertes
(ca. 10 %) und freies ionisiertes Ca2+ (ca. 45%). Das Gesamt-
Ca2+ ist daher von der Plasmaprotein-Konzentration abhängig.
Die relevante, regulierte Größe ist das freie Ca2+. Die Regulation des Ca2+-Haushaltes
wird im Wesentlichen durch zwei Hormone bewerkstelligt: Parathormon
und Calcitriol (1,25-Dihydroxy-Vitamin D). Dabei besorgt Parathormon
die Kurzzeit-Regulation der Konzentration von freiem Ca2+ zu
Lasten des Knochenspeichers. Vitamin D sorgt strategisch für die Aufrechterhaltung
des Gesamt- Ca2+-Speichers des Körpers. Ein viertes Ca2+-regulierendes Hormon, Calcitonin, hat beim Menschen nur eine geringe Bedeutung. Es wird in der Schilddrüse von den parafollikulären C-Zellen sezerniert und senkt kurzfristig den Ca2+-Spiegel, doch schwingt das System rasch in eine neutrale Position zurück. Weder der Ausfall der Calcitonin-produzierenden C-Zellen (z. B. nach einer Schilddrüsenoperation) noch eine längere Calcitonin-Therapie stören eine korrekte Regulation des Ca2+-Haushaltes. Calcitonin ist wahrscheinlich ein evolutionäres Überbleibsel. Tiere, deren Lebensumstände starke Schwankungen in der Ca2+-Aufnahme mit sich bringen, wie z. B. der zwischen Süßwasser und dem sehr kalziumreichen Meer wechselnde Lachs, sind stark auf Calcitonin-Wirkung angewiesen. Pharmakologische
Querverstrebung:
Lachs-Calcitonin wird zur Behandlung von Patienten verwendet, obwohl
es heute gentechnisch oder synthetisch hergestellt wird. Warum nicht
die humane Version? Lachs-Calcitonin ist ungefähr zehnmal so effektiv,
sodass nur ein Zehntel soviel Moleküle gespritzt werden müssen. Obwohl
es sich in 14 der 32 Positionen vom menschlichen Peptid unterscheidet,
treten immunologische Komplikationen erstaunlich selten auf. Auf Grund
seiner geringen Größe kann Calcitonin auch als Nasenspray eingesetzt
werden. Calcitonin wird bei akuter Hyperkalzämie verwendet, um den Ca2+-Spiegel
rasch zu senken. Zusätzlich wird es bei Erkrankungen mit hoher Knochenresorption
eingesetzt, um die Osteoklastenaktivität intermittierend zu bremsen,
z. B. bei Osteoporose, Mb. Paget und Knochenmetastasen, was sich manchmal auch schmerzlindernd auswirkt.
2.1.2 Parathormon
Parathormon (PTH) ist nach seiner Produktionsstätte
benannt, den vier winzigen Epithelkörperchen der Nebenschilddrüsen (Glandulae
parathyroideae). Steigt die Konzentration des freien ionisierten
Ca2+, wird der membranständige Calcium-sensitive Rezeptor
(calcium-sensing receptor, CaSR)
der Hauptzellen der Epithelkörperchen aktiviert; diese verringern
darauf die Sekretion von Parathormon. Auch eine hohe Konzentration von
1,25-Dihydroxy-Vitamin D senkt die Sekretion von Parathormon. Die Botschaft
des erhöhten Calcitriol ist also: "Hört auf, unseren Knochen anzuknabbern,
ich schaffe gleich mehr Ca2+ von außen herein!" PTH
besteht aus 84 Aminosäuren und hat eine sehr kurze Halbwertszeit von
etwa vier Minuten. PTH steigert die Ca2+-Konzentration auf
zwei Wegen: durch Freisetzung aus dem Knochen und durch Beeinflussung
der Niere. Der Nettoeffekt im Knochen ist eine Verstärkung
des Knochenabbaus durch Osteoklasten. Dieser Effekt wird auf indirektem
Weg erreicht; Osteoklasten exprimieren keinen PTH-Rezeptor. PTH wird
durch Osteoblasten erkannt, die mit einer Freisetzung von IL-1, IL-6
und anderen Zytokinen die Osteoklasten zu verstärkter Aktivität anregen.
Außerdem produzieren die Osteoblasten Signalmoleküle, die die Neubildung
von Osteoklasten anregen: M-CSF (Macrophage
Colony-Stimulating Factor) und RANKL. RANK-Ligand
(RANKL) ist ein Molekül
aus der TNF-Superfamilie. Es tritt als Trimer auf; teils als Transmembranprotein
auf der Zelloberfläche der Osteoblasten, teils "abgeschnitten"
als lösliches Signalmolekül. M-CSF und RANKL treffen im Knochenmark
auf hämatopoetische Vorläuferzellen der Makrophagen- und neutrophile
Granulozyten-Entwicklungslinie. Diese exprimieren den Transmembranrezeptor
RANK (receptor-activator of
NFκB), ein Transmembranprotein der TNF-Rezeptor-Superfamilie.
Wird Vorläuferzell-RANK durch Osteoblasten-RANKL trimerisiert, differenzieren
die Vorläuferzellen zunächst zu einkernigen und verschmelzen dann zu
vielkernigen Osteoklasten. Osteoblasten produzieren ein zweites Molekül,
Osteoprotegerin (OPG), das aussieht wie ein löslicher Rezeptor für RANKL.
Man nennt das einen decoy receptor
(Täusch-Rezeptor), der das eigene RANKL neutralisiert und damit
unwirksam macht. Inwieweit Osteoblasten die Bildung von Osteoklasten
induzieren, hängt also vom Verhältnis RANKL zu OPG ab, das sie in verschiedenen
physiologischen Situationen produzieren. PTH induziert die Bildung von
RANKL und hemmt die Expression von OPG, und beschleunigt damit die Neubildung
von Osteoklasten. Es hätte wenig Sinn, würde Parathormon nur die
Konzentration von Ca2+ steigern: durch das geringe Löslichkeitsprodukt
mit Phosphat würde es gleich wieder ausfallen. PTH senkt daher gleichzeitig
den Phosphatspiegel durch Hemmung der Phosphatrückresorption in der
Niere im proximalen und distalen Tubulus. Das geschieht durch Entfernung
des Na-Phosphat-Cotransporters aus der luminalen Membran in darunterliegende
Vesikel. Gleichzeitig steigert PTH die Ca2+-Rückresorption im
distalen Tubulus, sodass auch die geringen Mengen, die normalerweise
ausgeschieden werden, im Körper zurückgehalten werden. Die dritte PTH-Funktion in der
Niere kurbelt die letzte Hydroxylierung an, die notwendig ist, um Vitamin
D zu aktivieren: die Hydroxylierung des C-Atoms 1. Damit wird die Wiederauffüllung
das Ca2+-Pools eingeleitet. Pharmakologische
Querverstrebung:
Cinacalcet (Mimpara®, Sensipar®) ist ein kleines
Molekül, das "außen" an den Calcium-sensitiven Rezeptor bindet
und diesen so allosterisch empfindlicher für freies Ca2+
macht (also weniger PTH-Ausschüttung bei niedriger Ca2+-Konzentration
bewirkt). Seine Hauptanwendung ist die Behandlung des sekundären Hyperparathyreoidismus
bei Patienten mit chronischem Nierenversagen auf Dialyse. Geschädigte
Nieren scheiden zu wenig Phosphat aus und aktivieren zu wenig Vitamin
D. Dadurch ergibt sich im Plasma eine hohe Phosphat- und eine niedrige
Ca2+-Konzentration, ein Ungleichgewicht, das via PTH auf
dem Rücken der Knochensubstanz ausgetragen wird. 2.1.3 Vitamin D
Vitamin D ist eigentlich ein Hormon, das in
der Haut selbst gebildet wird. Dazu ist Sonnenlicht nötig, da Vitamin D aus
7-Dehydrocholesterol durch Aufbrechen des zweiten Rings des
Cholesterol-Grundgerüsts nur bei ausreichender UV B-Exposition entsteht.
Dieser Licht-abhängige Vorgang ist die wahrscheinliche Ursache dafür, dass Kaukasier
einen blassen Teint haben. Bis zur Auswanderung aus Afrika vor etwa 60.0000
Jahren waren vermutlich alle modernen Menschen dunkelhäutig. Je weiter nördlich
sich die Menschen ansiedelten, desto geringer wurde ihre Sonnenexposition und
jene mit blasserer Haut hatten einen Selektionsvorteil, da sie noch genügend
Vitamin D herstellen konnten.
(Der Selektionsvorteil hellhäutiger Individuen in den nördlichen Regionen ergab sich wahrscheinlich nicht nur aus der Knochenstabilität. UV B-generiertes Vitamin D spielt auch eine Rolle bei der Infektabwehr. Erniedrigte Vitamin D-Spiegel korrelieren mit Anfälligkeit gegenüber Infekten des Respirationstrakts während der Wintermonate, wenn auch die Mechanismen noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Wahrscheinlich ist Vitamin D für die Funktion der Makrophagen wichtig; diese können Vitamin D durch Expression des Enzyms 1α‑Hydroxylase, das sonst nur in der Niere exprimiert wird, sogar selbst aktivieren. Auf Vitamin D-Stimulation synthetisieren Makrophagen verstärkt das antibakteriell wirkende Peptid Cathelicidin. Aufgrund empirischer Erfahrungen wurden Patienten der in den Bergen gebauten Tuberkulosekliniken des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auch in der kühlen Jahreszeit täglich in die Sonne gesetzt, was bei der Höhe eine stärkere UV-Bestrahlung bedeutete. Die Fähigkeit von Makrophagen, Vitamin D zu aktivieren, ist von besonderer Bedeutung bei Sarkoidose, die häufig mit einer durch diesen Mechanismus ausgelösten
Hyperkalzämie einhergeht. In den Makrophagen erfolgt die Expression der
1α-Hydroxylase nicht unter Kontrolle von PTH. Auch für andere
granulomatöse Erkrankungen, wie Tuberkulose oder Lepra, wurden gelegentlich
Hyperkalzämien beschrieben.)
Ethnien, die sich vorwiegend vom Meer ernährten, wie die Inuit, führten genügend Vitamin D mit der Nahrung zu und konnten daher stärker pigmentiert bleiben. Das fettlösliche Vitamin D3 kann also genauso aus tierischer Nahrung (besonders reichlich z. B. aus Fettfischen wie Dorsch –Lebertran!-, Makrele, Lachs) aufgenommen werden. Dass Mangel an Sonnenlicht in Zusammenhang mit Rachitis steht, erkannte man erst im späten 19. Jahrhundert. Die Alternative zur UV-Herstellung oder Aufnahme
der Vorstufe Cholecalciferol (Vitamin D3) ist die Aufnahme eines sehr
ähnlichen Moleküls, Ergocalciferol (Vitamin D2) aus Gemüse, doch ist
diese quantitativ in der Regel zu gering, um den Bedarf zu decken. D3 und D2 werden durch zwei Hydroxylierungs-Schritte
zum aktiven Calcitriol umgebaut: in der Leber erfolgt die 25-Hydoxylierung
am Ende der Seitenkette, in der Niere die 1‑Hydroxylierung am
Kohlenstoff-Sechserring. Dieser entscheidende, letzte Schritt erfolgt
in der proximalen Tubuluszelle und wird genau reguliert: PTH fördert die Hydroxylierung, während das
Endprodukt Calcitriol sowie FGF23 und/oder Phosphat die Hydroxylierung hemmen. 1,25-Dihydroxy-Cholecalciferol
(Calcitriol) verteilt sich im Körper wie ein Hormon und bindet an den
Vitamin-D-Rezeptor, der der Superfamilie der nukleären Rezeptoren angehört.
Als Ligand-abhängiger Transkriptionsfaktor induziert er unter anderem
Gene, die für die Aufrechterhaltung der Ca2+-Speicher wesentlich
sind.
Das wesentlichste Zielorgan in dieser Hinsicht
ist das Duodenum. Hier werden mehrere Proteine induziert, die im Zusammenspiel
die Ca2+-Aufnahme aus der Nahrung fördern. Während die Ca2+-Konzentration
im Darmlumen und im Blut im mM-Bereich liegt, ist sie im Zell-Inneren
wesentlich niedriger; zu viel freies Ca2+ im Zytosol wäre
gefährlich. Es wird also lumenseitig ein Ca2+-Kanal induziert,
durch den Ca2+ passiv in die Zelle strömt, im Zell-Inneren das affine
Ca2+-bindende Protein Calbindin zur Neutralisation passierenden
Calciums und an der Blutseite ein ATP-getriebener Ca2+‑H+-Antiporter
sowie ein Na+-getriebener Ca2+‑Na+-Antiporter,
die beide Calcium gegen einen steilen Konzentrationsgradienten ins Blut
pumpen. Calcitriol fördert im Dünndarm auch die Aufnahme von Phosphat.
In der Niere fördert Calcitriol wie PTH die
Rückresorption von Ca2+ im distalen Tubulus, doch ist die
Wirkung viel schwächer. Im Gegensatz zu PTH fördert Calcitriol auch
die Reabsorption von Phosphat: zur Wiederbefüllung der Knochenspeicher
sind ja beide Ionen notwendig. Die Summe dieser Vitamin D-Wirkungen führt zu
einem Überschreiten des Löslichkeitsprodukts, so dass Ca2+
und Phosphat im dafür ideal geeigneten Osteoid ausfällt; zusätzlich fördert Vitamin D-induzierte
Transkription des Osteocalcin-Gens die Bruchfestigkeit. Dieser indirekte Effekt
überwiegt in Summe den direkten, Rezeptor-mediierten Effekt auf Osteoblasten
und Osteoklasten-Vorläufer, der über einen verstärkten Knochenumsatz die Ca2+-Mobilisierung
fördern würde.
FGF23 wird von Osteozyten und Osteoblasten freigesetzt, stimuliert einerseits durch Phosphataufnahme aus der Nahrung, andererseits durch 1,25‑Dihydroxy-Vitamin D. Es erhöht die renale Phosphatausscheidung, indem es die Zahl der Na-Pi-Cotransporter in der apikalen Membran des proximalen Tubulus vermindert. In dieser Funktion wirkt es ähnlich wie PTH. Gegensätzlich zu PTH wirkt es dagegen, indem es die 1‑Hydroxylierung von Vitamin D hemmt. Diese Senkung von aktivem Vitamin D führt zu einer geringeren Ca2+-Aufnahme über den Darm. CKD-MBD (chronic kidney disease- mineral and bone disorder): Ein Problem entsteht bei vielen alten Leuten dadurch, dass wir über den Darm das gesamte verfügbare Phosphat aufnehmen, den nicht benötigten Überschuss jedoch FGF23-gesteuert über die Niere ausscheiden. Mit Rückgang der glomerulären Filtrationsrate im Alter steigt FGF23 immer höher an, um einen immer höheren Prozentsatz des filtrierten Phosphats auszuscheiden. Calcitriol wird durch FGF23 niedrig gehalten, die Ca2+-Konzentration im Blut kann nur durch erhöhtes Parathormon aufrechterhalten werden. Dieser sekundäre Hyperparathyreoidismus schädigt auf die Dauer die Knochen.
2.2
Wachstumshormon und IGF-1
Growth
hormone (GH, Wachstumshormon)
ist für das Knochenwachstum essentiell. Es wird von Somatotrophen (Zellen)
im Hypophysenvorderlappen unter Kontrolle des Hypothalamus (stimuliert
durch GH-releasing hormone –GHRH‑, gebremst
durch Somatostatin) pulsatil ausgeschüttet, und zwar nur während des
Schlafes und bei physischer Anstrengung (es hat also keinen Sinn, Wachstumshormon
am Tag bei einem Kind in Ruhe zu bestimmen). Einige rasch eintretende
Wirkungen, die denen des Insulins entgegengesetzt sind, löst Wachstumshormon
direkt aus: Lipolyse in Fettgewebe, Gluconeogenese in der Leber sowie
eine Hemmung der Glucose-Aufnahme in den Muskel. Die wachstumsfördernde
Wirkung auf Knorpel und Knochen erfolgt jedoch indirekt. Die Leber wird
durch GH angeregt, Insulin-like growth factor-I (IGF-I) ins
Plasma zu sezernieren. Zusätzlich produzieren Chondrozyten und Osteoblasten,
wie viele andere Zelltypen, GH-abhängig IGF-I, das jeweils parakrin
auf diese und benachbarte Zellen zurückwirkt. IGF‑1 ist nahe mit Insulin verwandt, mit
etwas weniger als 50% identen Aminosäuren. Wie Insulin bindet es an
einen heterotetrameren Rezeptor aus zwei extrazellulären α- und
zwei transmembran-β‑Ketten mit Tyrosinkinasedomäne. "Gemischtkettige"
Insulin/IGF‑1-Rezeptoren kommen vor, die durch beide Hormone aktiviert
werden können. IGF‑1 wird durch IGF-bindende Proteine in der organischen
Matrix gebunden, vor Proteolyse geschützt und ankonzentriert. Zusammen
mit anderen Wachstumsfaktoren wie TGFβ und PDGF (transforming growth factor β und platelet-derived
growth factor) wird ein Teil durch Mineralisierung im Knochen eingemauert,
sodass ein Wachstumsfaktor-Reservoir entsteht, das erst bei Knochenabbau
wieder aktiv wird. (Dies ist wahrscheinlich ein Grund, warum metastasierende
Tumorzellen im Knochen häufig einen fruchtbaren Boden finden.) IGF-1
wirkt parakrin auf die Zellen zurück, z. B. regt es Chondrozyten in
den Epiphysenfugen sowie Osteoblasten zu vermehrter Zellteilung an.
IGF-1 ist direkt abhängig vom pulsatil schwankenden GH, zeigt aber durch
diese Pufferungsmechanismen eine viel beständigere Wirkung. Ein Mangel
an Wachstumshormon führt, wie auch eine Mangel an IGF-1, zu Zwergwuchs,
während eine Überproduktion von Wachstumshormon in der Kindheit zu Riesenwuchs
führt.
Pharmakologische
Querverstrebung: Wachstumshormon
war, nach Insulin, das zweite gentechnisch hergestellte Medikament und
wurde 1985 für Genentech zugelassen. Davor wurde Wachstumshormon aus
Leichenhypophysen gereinigt. Indikationen sind einerseits Wachstumshormonmangel,
andererseits der symptomatische Einsatz bei Turner-Syndrom und Niereninsuffizienz
bei Kindern, um die Körpergröße zu steigern. In manchen Ländern kommen
Kinderärzte verstärkt unter Druck von Eltern, die Größe gesunder Kinder
durch die Gabe von Wachstumshormon zu steigern, da Körpergröße als gesellschaftlicher
Vorteil gesehen wird. IGF‑1 wird für Kinder mit Wachstumshormon-Rezeptordefekten
angewendet, die sonst zum sogenannten Laron-Zwergwuchs führen. [Wachstumshormon und IGF‑1 haben mehr
Funktionen als nur das Wachstum zu stimulieren. Bovines Wachstumshormon
wird in manchen Ländern, z. B. den USA, verwendet, um die Milchleistung
von Kühen zu steigern. Dies gelingt nur bei optimal ernährten Tieren,
ist also leider keine Hilfe für jene Länder, die es am dringendsten
brauchen würden. In der EU einigte man sich nach intensiven Diskussionen,
diese Anwendung nicht zuzulassen.] 2.3
Schilddrüsenhormon
Wachstumshormon und IGF-I sind notwendig, aber
nicht hinreichend für Knochenwachstum und -Erhaltung. Ebenfalls notwendig
sind Schilddrüsenhormon sowie, je nach Geschlecht, Östrogene oder Androgene.
Wie IGF-I stehen Schilddrüsenhormon und Sexualhormone mittelbar unter
Kontrolle des ZNS. Die genauen molekularen Mechanismen der Wirkung dieser
Hormone auf Knochen sind unzulänglich beschreibbar. Praktisch alle Zellen
des Körpers exprimieren Rezeptoren für Schilddrüsenhormon, und viele
Gewebe Östrogen- und Androgen-Rezeptoren. Die drei Rezeptortypen sind
verwandt. Alle drei sind Mitglieder der Superfamilie der "Kernrezeptoren"
(nuclear receptors), ebenso
wie der Vitamin D-Rezeptor und der Glucocorticoid-Rezeptor. Alle Rezeptoren
dieser Familie stellen Ligand-aktivierte Transkriptionsfaktoren dar,
die eine große Anzahl von Genen graduell regulieren. In Anwesenheit
des entsprechenden Hormons werden viele Gene verstärkt exprimiert und
noch mehr Gene in ihrer Aktivität gebremst. Welche dieser Gene für Knochen-Wachstum
und –Erhaltung relevant sind, ist leider noch unzureichend verstanden.
Während andere Rezeptoren der Kernrezeptor-Superfamilie
erst nach Ligandbindung vom Zytoplasma
in den Kern wechseln, sitzen die Schilddrüsenhormonrezeptoren (α und β) von vornherein auf der DNA. Solange der Ligand
abwesend ist, hemmen sie häufig die Transkription des entsprechenden
Gens. Bindung von Trijodthyronin (T3), und in einem geringeren
Ausmaß Thyroxin, macht die Rezeptoren zu aktiven Transkriptionsstimulatoren.
Chondrozyten, Knochenmark-Stromazellen, Osteoblasten und Osteoklasten-Vorläufer
exprimieren T3-Rezeptoren. Ob T3 auch Effekte in reifen Osteoklasten
hat, ist unklar.
Mangel an Schilddrüsenhormon in der Kindheit
führt zu Wachstumsretardierung. Doch allzu viel ist auch ungesund: eine
Hyperthyreose führt zu einer sekundären Osteoporose. 2.4
Östrogene, Progesteron und Androgene
Auch die Bedeutung von Sexualhormonen für den
Knochenstoffwechsel wurde durch klinische Beobachtungen klar. Ein Mangel
dieser Hormone in verschiedenen Formen des Hypogonadismus führt regelmäßig
zur Osteoporose. Östrogen- oder Androgen-Überschuss in der Kindheit
führt zunächst zu einer Wachstumsbeschleunigung (wie normalerweise während
der Pubertät), dann jedoch zu einem verfrühten Epiphysenschluss und
damit im Endeffekt zu einer verminderten Körpergröße. Die postmenopausale
Osteoporose wird durch einen Abfall der Östrogenkonzentration eingeleitet.
Beide Geschlechter exprimieren sowohl Östrogen-
wie auch Androgenrezeptoren. Während es nur einen Androgenrezeptor gibt,
existieren zwei Varianten des DNA-bindenden Östrogenrezeptors, ERα
und ERβ. ERα wird hauptsächlich in Ovar, Uterus, und Mamma
exprimiert, ERβ darüber hinaus in vielen anderen Geweben, doch
werden beide Typen in Knochenzellen exprimiert. Zusätzlich zu diesen
klassischen Rezeptoren, die sich zwischen Zellkern und Zytoplasma bewegen,
gibt es vollkommen unabhängig davon noch ein Östrogen-bindendes G‑Protein-gekoppeltes
Protein in der Membran des endoplasmatischen Reticulums, für das bisher
keine Funktion im Knochen bekannt ist. Für die anabole Wirkung der Östrogene
auf Knochen wurden zahlreiche verschiedene Mechanismen vorgeschlagen
und mit Daten belegt. Auf der Abbauseite hemmen Östrogene die Zahl und
Aktivität von Osteoklasten. Diese Wirkung läuft teilweise über das RANK-System.
Aktivierte Östrogenrezeptoren greifen nicht direkt am Promotor in die
Transkription von RANKL und RANK-Genen ein, doch regulieren Östrogene
dieses System mittelbar über viele verschiedene Angriffspunkte. Östrogene
steigern z. B. die Produktion von OPG durch Osteoblasten. Sie hemmen
die Produktion von M-CSF, IL-1, IL-6 und TNFα. Das Resultat ist
eine verringerte Neubildung von Osteoklasten. Über diese und anderen
Mechanismen werden auch die Aktivität und die Lebenszeit von Osteoklasten
vermindert. In Summe bremsen Östrogene also den Knochenabbau. Es gibt
viele Hinweise, dass sie auch aktiv den Knochenaufbau fördern, doch
ist man sich über die entsprechenden Mechanismen noch nicht einig. Progesteron fördert dagegen die Expression von RANKL und die Bildung von Osteoklasten. Die höchsten Konzentrationen von Progesteron werden in der Schwangerschaft erreicht. Das fördert die Freisetzung von Calcium aus den mütterlichen Knochen, um die Mineralisierung der Knochen des Fetus zu erleichtern. Zusätzlich fördert die Progesteron-getriebene RANKL-Expression die Proliferation von Zellen des Mammaepithels, sodass neues Drüsengewebe für die Milchproduktion bereitsteht. Ähnlich wie für TSH wurde auch für das dem Östradiol
übergeordnete Follikel-stimulierende Hormon (FSH) eine direkte Wirkung
auf Osteoklasten beschrieben, die der des TSH entgegengesetzt sein soll,
die Osteoklastenwirkung also aktiviert. Vor der Menopause ist dieser
Effekt durch die anabole Wirkung der Östrogene mehr als aufgewogen;
nach der Menopause könnte er aber für die Phase des beschleunigten Abbaus
verantwortlich sein.
Bei Männern erfolgt der Abfall von Androgenen
in einem späteren Alter, hat aber ebenfalls Osteoporose zur Folge. Wahrscheinlich
überlappen die Knochenmasse-fördernden Mechanismen der Androgene weitgehend
mit denen der Östrogene. Es gibt allerdings noch eine zweite Möglichkeit:
Androgene werden durch das Enzym Aromatase im Fettgewebe auch bei Männern
teilweise zu Östrogenen umgebaut. Es wird daher diskutiert, dass der
Knochen-protekive Effekt auch bei Männern über Östrogene laufen könnte. 2.5 Cortisol
und andere Glucocorticoide
Glucocorticoide greifen sowohl auf der Aufbau-
als auch auf der Abbau-Seite des Knochenstoffwechsels ein. Glucocorticoide
hemmen die Funktion der Osteoblasten, z. b. durch Hemmung der Transkription
von Kollagen- und Osteocalcin-Genen (dies geschieht auch in anderen
Geweben: in der Haut wird die Hemmung der Kollagenbildung manchmal in
der Form von Striae direkt sichtbar). Auch die Überlebenszeit von Osteoblasten
wird verkürzt. Auf der Abbau-Seite induzieren Glucocorticoide in Osteoblasten
RANKL, und reduzieren gleichzeitig die Expression von OPG. Kombiniert
steigern diese beiden Glucocorticoideffekte die Osteoklastenzahl und
–Aktivität. Sowohl die Effekte auf der Aufbau- wie auch der Abbauseite
fördern damit die Entstehung einer Osteoporose. 2.6
Mechanische Belastung
Belastung in Form von körperlicher Aktivität
ist wesentlich für den Aufbau der Knochenmasse. Die Knochentrabekel
werden dauernd nach den Anforderungen der mechanischen Belastung umgebaut.
Inaktivität, z. B. durch Bettlägerigkeit, führt rasch zu einem Verlust
an Knochenmasse. Zum selben Resultat führt die Belastungsminderung bei
Astronauten durch den Wegfall der Schwerkraft. Die zwischen den Lamellen
der Osteone sitzenden Osteozyten können mechanische Belastung des Knochens
wahrnehmen. Sie
vermindern darauf ihre Sclerostinfreisetzung und verändern andere Wachstums-
und Differenzierungsfaktoren für Osteoblasten. Leider sind die molekularen
Mechanismen dieses Regelsystems noch nicht hinreichend geklärt. Ein
diskutierter Mechanismus beruht darauf, dass Belastung des Knochens
zu einem Flüssigkeitsstrom durch die poröse Matrix des Knochens führt.
Die Osteozyten werden durch diesen verformt (wie Wäsche im Wind), was
zu einer Öffnung von mechanosensitiven Ionenkanälen führen könnte. Solche
Ionenflüsse könnten dann durch gap
junctions von Osteozyt zu Osteozyt weitergeleitet werden bis zu
einer Stelle, an der Knochenbautrupps (basic
multicellular units) gebildet werden können.
2.7
Ernährungssituation: Leptin
Auf Leptin wurde man durch einen Mausstamm aufmerksam,
der nach dem Phänotyp "Fettsucht" (obesity) ingezüchtet wurde. Analysen von ob/ob-Mäusen ergaben, dass das Gen für ein extrazelluläres Signalmolekül
defekt war, das man deshalb "Leptin" (griechisch leptos= dünn) nannte. Homozygote Mäuse
waren nicht nur fett, sondern auch unfruchtbar. Interessanterweise hatten
sie eine erhöhte Knochenmasse, während Hypogonadismus sonst regelmäßig
mit Osteoporose einhergeht. Die molekularen Mechanismen der Leptinwirkung
wurden aus experimentellen Gründen in der Maus gezeigt. Soweit einzelne
Aspekte beim Menschen überprüft werden konnten, gelten diese Erkenntnisse
wahrscheinlich ebenso für den Menschen.
Das Signalprotein Leptin wird vor allem vom
Fettgewebszellen sezerniert (ein "Adipokin"). Sein Langzeit-Plasmaspiegel
ist proportional zu den Fettspeichern des Individuums. Um dieses Niveau
gibt es eine von den täglichen Mahlzeiten abhängige Oszillation mit
in der Regel einem Tief zum Frühstück und einem Hoch am späten Abend.
Darüber hinaus führen Änderungen der Ernährungslage zu temporären Abweichungen
des Leptinspiegels. Auf Hungerphasen über einige Tage reagiert Leptin
mit einem Abfall, auf festliche Kalorienzufuhr mit einem Anstieg. Leptin
überwindet die Blut-Hirn-Schranke und beeinflusst das vegetative Nervensystem
über Zentren im Hypothalamus. Erniedrigte Leptin–Werte führen zu einem
verstärkten Hungergefühl, erhöhtes Leptin zu Sattheit. Für eine gewisse
Zeit bestand die Hoffnung, Leptin sei die Antwort für das verbreitete Übergewichtsproblem.
Leider zeigen stark übergewichtige Menschen eine zentrale Leptin-Resistenz
(ähnlich der Insulin-Resistenz bei Diabetes mellitus Typ 2), d. h., sie reagieren auf hohe Plasma-Leptin-Konzentrationen
nicht mit vermindertem Appetit. Auch der Leptin-Einfluss auf den Knochenstoffwechsel
wird offenbar über das vegetative Nervensystem geleitet. Vom Hypothalamus
ausgehende Impulse werden über sympathische Neurone direkt in den Knochen
geleitet, wo Osteoblasten durch Noradrenalin über adrenerge β-Rezeptoren
beeinflusst werden. Über diesen Signalweg hereinkommende Impulse haben
in den Osteoblasten Effekte, die durch die circadiane molekulare Uhr
in den Zellen beeinflusst werden. Abhängig von der Phase dieser Uhr
führen diese Impulse einmal zu einer Beschleunigung der Osteoblasten-Zellteilung
und -Funktion, einmal zu einer Verzögerung. Auch die Osteoklasten-Funktion
wird über diesen adrenergen Weg beeinflusst. Schon seit vielen Jahren
ist bekannt, dass Marker des Knochenstoffwechsels wie Osteocalcin im
Blut einem circadianen Rhythmus folgen. Es wäre z. B. plausibel, dass
Umbauvorgänge im Knochen während des Schlafes leichter zu bewerkstelligen
sind.
Leptin ist demnach ein Signal, das die aktuelle
Ernährungssituation in das zentrale Nervensystem einspeist. Dieses
reagiert darauf, indem es neben Essverhalten und Fortpflanzungsverhalten z. B.
auch den Knochenstoffwechsel anpasst. Bezüglich des Knochenstoffwechsels wird
der errechnete Output auch eingebettet in einen sinnvollen Tag-Nacht-Rhythmus. Genetisch
bedingter kompletter Leptinmangel führt in der ob/ob-Maus jedenfalls zu erhöhter Knochenmasse.
Pharmakologische
Querverstrebung: Wenn
Leptin über einen β-adrenergen Mechanismus die Knochenneubildung
hemmt, sollten β-Blocker bei Osteoporose eine positive Wirkung
entfalten. Nach retrospektiven Studien ist dies anscheinend tatsächlich
der Fall. Beweiskräftigere prospektive Studien müssen
erst durchgeführt werden; eine erste kleine prospektive Studie sprach für einen
positiven Effekt von β‑Blockern. 3.
STÖRUNGEN DES KNOCHENSTOFFWECHSELS
3.1 Osteoporose
Die weitaus häufigste Form der Osteoporose betrifft
Menschen in der zweiten Lebenshälfte. Sie wird als primäre oder idiopathische
Osteoporose bezeichnet. Obwohl die Mechanismen bei Frauen und Männern
wahrscheinlich dieselben sind, treten die Symptome bei Frauen früher
auf, da bei ihnen die Östrogene früher abfallen als die Androgene bei
Männern. Man spricht daher bei Frauen von postmenopausaler Osteoporose. Symptome von Osteoporose sind im Wesentlichen
Knochenbrüche. Diese betreffen häufig den Oberschenkelhals oder die
Wirbelkörper (Impressionsfrakturen). Knochenbrüche treten natürlich
bei Belastungsspitzen wie Stürzen auf, bei vergleichbarer Belastung
aber umso häufiger, je geringer die Knochenmasse ist. Ist die mechanische
Stabilität eines Knochens so geschwächt, dass er bei einem Bagatelltrauma
bricht, sprechen wir von einer pathologischen Fraktur. Die größte Knochenmasse
haben wir im Alter zwischen 20 und 30 Jahren. Von da an ist der Nettoeffekt
der vielen Faktoren, die den Knochenstoffwechsel beeinflussen, leicht
negativ. Bei Frauen beschleunigt sich dieser Nettoabbau mit dem Abfall
der Östrogene nach der Menopause. Dabei beobachtet man in den ersten
5-10 Jahren unmittelbar nach der Menopause einen beschleunigten Verlust
an Knochenmasse mit verstärkter Osteoklastenaktivität (high turnover bone loss), später einen
langsamen weiteren Verlust, der eher auf ein kleines Defizit der Osteoblastenaktivität
gegenüber wieder normalisiertem Knochenabbau zurückzuführen ist (low turnover bone loss). Bei primärer Osteoporose tragen mehrere Faktoren zum negativen Nettoeffekt
bei:
1.
Rückgang von Östrogenen und
Androgenen
2.
Verminderte körperliche Aktivität
3.
Häufigere relative Mangelernährung
bezüglich Vitamin D und Kalzium
4.
Geringere Lichtexposition vermindert
endogene Produktion von Vitamin D
5.
Nierenschädigungen durch Ursachen
wie Diabetes, Arteriosklerose oder Schmerzmittel-Abusus vermindern sekundär (auch via FGF23)
die 1-Hydroxylierung von Vitamin D
Wenn die Knochenresorption leicht überwiegt,
steigt der Serum-Ca2+-Spiegel. Parathormon vermindert sich,
sodass Ca2+ in der Niere weniger rückresorbiert wird. Auch
die Parathormon-abhängige 1‑Hydroxylierung von Vitamin D zu Calcitriol
ist vermindert, sodass weniger Ca2+ über den Darm aufgenommen
wird. Die Ca2+-Bilanz folgt also der Knochenmassenbilanz
(alles andere hätte auch wenig Sinn: wo sollte man das überschüssige
Ca2+ denn ablagern?) und ist insgesamt negativ.
Interessanterweise wirkt Übergewicht bis zu
einem gewissen Grad schützend vor Osteoporose. Ob das durch die verstärkte
mechanische Belastung bedingt ist, oder durch eine erhöhte residuale
Östrogenbildung aus Androgenen durch die Aromatase des Fettgewebes,
ist noch nicht ausreichend geklärt. Diagnostik
Die relevanteste Eigenschaft des Knochens wäre
seine Widerstandsfähigkeit gegen Brüche. Diese kann man natürlich nicht
direkt testen. Als bestimmbare Ersatzwerte dienen einerseits die Knochendichte,
andererseits Moleküle im Serum, die bei Knochenauf- oder -abbau entstehen. Die Knochendichte
wird meist durch die DXA-Methode (dual
energy X-ray absorptiometry) bestimmt. Diese beruht darauf, dass
energieärmere ("weiche") Röntgenstrahlen in Gewebe geringerer
Dichte stärker absorbiert werden als energiereichere ("harte"),
während es in dichterem Gewebe gerade umgekehrt ist. Mit anderen Worten,
aus zwei mit unterschiedlicher Energie aufgenommenen Röntgenbildern
kann man auf die Dichte des durchstrahlten Gewebes rückschließen, mit
Hilfe einiger Annahmen nach viel Rechenarbeit auch auf die Knochendichte.
Ausgegeben wird das Ergebnis als das Vielfache der Standardabweichung vom Durchschnitt
der 30-Jährigen des entsprechenden Geschlechts, dem sogenannten T‑Wert.
Ein T-Wert kleiner als ‑2,5 (also eine Knochendichte, die mehr
als zweieinhalb Standardabweichungen unter der durchschnittlichen Knochendichte
einer/s Dreißigjährigen liegt) bedeutet definitionsgemäß Osteoporose.
Ein anderes, technisch aufwendigeres und teureres Verfahren zur Knochendichtemessung
stellt die sogenannte quantitative Computertomographie (QCT) dar, die
mehr Information liefert, z. B. Compacta und Spongiosa getrennt analysieren
lässt. Knochenaufbau kann durch Messung von Serum-Osteocalcin verfolgt
werden, da dieses nur von Osteoblasten produziert wird. Brauchbare Werte
ergeben sich auch bei Bruchstücken, die bei der extrazellulären Kollagen-Assemblierung
anfallen, da der Großteil der Kollagen Typ I-Synthese im Knochen abläuft.
Konkret können das Prokollagen I C-terminale Propeptid (PICP) und das
Procollagen I N-terminale Propeptid (PINP) bestimmt werden. Ein weiterer
Marker ist die knochenspezifische alkalische Phosphatase (Ostase). Knochenabbau durch Osteoklasten führt auch zur Spaltung
von quervernetztem Kollagen. Das dabei auftretende C-terminale, quervernetzte
("x") Bruchstück der Kollagen I-Tripelhelix (CTx-I, auch als
Crosslaps bezeichnet) kann im Plasma gemessen
werden und dient als Maß des Knochenabbaus. Beim weiteren Abbau dieser
Kollagenfragmente bleibt schließlich die chemische Struktur der eigentlichen
Quervernetzung zwischen Hydroxylysinen übrig, Pyridinolin. Pyridinolin
(Pyr) und das knochenspezifische Desoxypyridinolin (D-Pyr) können im
Urin gemessen werden (dieser Wert wird oft auch einfach als Crosslinks
bezeichnet). Wegen des circadianen Rhythmus des Knochenstoffwechsels
ist es wichtig, die Blutabnahmen für Kontrolluntersuchungen immer zur
selben Tageszeit vorzunehmen. Therapeutische Möglichkeiten:
Östrogen-Ersatz?
Hormonersatztherapie war einige Zeit sehr populär,
um die unangenehmen Begleiterscheinungen der Menopause zu lindern. Dem
Gedanken an mögliche langfristige Nebenwirkungen wurde zunächst wenig
Raum gegeben. Als schließlich die notwendigen, aufwendigen randomisierten
Doppelblindstudien durchgeführt wurden (Women's
Health Initiative study in den USA, Million
Women Study in Großbritannien), war das Ergebnis ernüchternd. Zwar
ergab sich eine Reduktion der Zahl der Oberschenkelhalsfrakturen, doch
wurde dies mehr als aufgewogen durch häufigeres Auftreten von Brustkrebs,
Endometriumkarzinom, Herzinfarkten, Schlaganfällen und Lungenembolien.
Gerade bezüglich Herzinfarkte hatte man das Gegenteil angenommen, da
Frauen vor der Menopause seltener Herzinfarkte erleiden als gleichaltrige
Männer. Generelle postmenopausale Hormonersatztherapie war damit vom
Tisch; jüngere Studien sprechen für einen zeitlich begrenzten Einsatz
in den ersten Jahren unmittelbar nach der Menopause. Eine mögliche Alternative
stellt Raloxifen dar. Raloxifen ist ein SERM
(selective estrogen receptor modulator)
wie Tamoxifen. Diese lipophilen Liganden binden an den Östrogenrezeptor
und führen zu einer Konformationsänderung, die zu einer etwas anderen
räumlichen Struktur führt, als wenn Östradiol gebunden wäre. Das führt
dazu, dass diese Moleküle in manchen Geweben Östrogen-ähnliche, doch
in anderen Geweben Östrogen-antagonistische Wirkungen haben. Dies ist
abhängig von der individuellen Ausstattung der Zielgewebszellen mit
anderen die Transkription beeinflussenden Molekülen (Koaktivatoren und
Korepressoren), die den so veränderten Komplex besser oder schlechter
als den Original- (Östradiol-)Komplex binden. Raloxifen hat im Knochen
Östrogen-ähnliche Wirkung und kann zum Bremsen der Osteoporose eingesetzt
werden. In der Brustdrüse wirkt Raloxifen Östrogen-antagonistisch und
reduziert sogar das Brustkrebsrisiko. Bezüglich Endometriumkarzinom
und Gefäßerkrankungen verhält sich Raloxifen nach bisherigen Daten weitgehend
neutral, mit Ausnahme einer leichten Steigerung von Venenthrombosen. Bisphosphonate
Phosphonat ähnelt Phosphat, unterscheidet sich
aber dadurch, dass der zentrale Phosphor von drei Sauerstoff-Atomen
umgeben wird, statt von vier wie beim Phosphat. Bei den Bisphosphonaten
hängen also zwei solche Gruppen an einem Kohlenstoffatom, wobei das
Phosphor-Atom direkt ans Kohlenstoffatom gebunden ist (nicht wie beim
organischen Phosphat über ein Sauerstoffatom). Während Phosphate durch
Phosphatasen enzymatisch leicht abgespalten werden können, ist das für
die P‑C‑P-Bindungen nicht der Fall; die Bisphosphonate sind
daher im Körper sehr stabil. Sind sie einmal im Knochen angelangt, haben
sie eine Halbwertszeit in der Größenordnung von Jahren. In vieler Hinsicht
verhalten sie sich wie Phosphat: sie bilden mit Ca2+ unlösliche
Komplexe und sind daher schwer aus dem Darm resorbierbar (sie werden
daher häufig parenteral appliziert). Sie lagern sich bevorzugt an Hydroxylapatit
an. Von dort werden sie von "knabbernden" Osteoklasten aufgenommen
und hindern diese über mehrere Mechanismen an der Arbeit; viele Osteoklasten
gehen nach einiger Zeit in Apoptose. Bisphosphonate wie Alendronat (z.
B. Fosamax®) bremsen also den Knochenabbau und stellen damit
bei Osteoporose wieder ein gewisses Gleichgewicht her. Es gibt auch
Hinweise, dass Bisphosphonate die Entstehung von Knochenmetastasen hemmen.
Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass Bisphosphonate dem "Überwintern"
von Mikrometastasen im Knochenmark (siehe Abschnitt über Metastasierung)
entgegenwirken. Problematische Nebenwirkungen entstehen, wenn die Bisphosphonat-Toxizität
auf andere Knochenzelltypen übergreift, speziell, wenn es dadurch zur
seltenen, aber gefürchteten Kiefer-Osteonekrose kommt. Denosumab
Osteoprotegerin war als natürliches RANKL-blockierendes
Protein ein logischer Kandidat für die Therapie von Osteoporose und
wurde vom Biotechnologie-Unternehmen Amgen auch in die frühe klinische
Erprobung eingeführt. Allerdings ergaben sich mehrere bedenkliche Aspekte.
OPG bindet nicht nur RANKL, sondern auch andere Mitglieder der TNF-Superfamilie.
OPG wird auch von Endothelzellen exprimiert und natürliche OPG-Spiegel
korrelieren mit koronarer Herzkrankheit. Als Ansatz mit einem wahrscheinlich höheren
Sicherheitsniveau entwickelte Amgen einen monoklonalen Antikörper, Denosumab
(Prolia®), mit OPG-ähnlicher Funktion. Vorteile sind
eine höhere RANKL-Spezifität und eine geringeres Risiko, die Bildung
von neutralisierenden Antikörpern gegen das körpereigene OPG auszulösen.
Der humane monoklonale IgG2-Antikörper (IgG2 aktiviert Komplement wesentlich
geringer als IgG1 oder IgG3) wird halbjährlich subkutan injiziert und
zeigt eine gute Wirkung gegen postmenopausale Osteoporose sowie den
osteolytischen Effekt von Mammakarzinom-Metastasen. Denosumab ist seit
Mai 2010 für die Behandlung von Frauen mit postmenopausaler Osteoporose
mit erhöhtem Frakturrisiko sowie für Männer mit Prostatakarzinom
unter erhöhtem Frakturrisiko durch Androgensuppressionstherapie
zugelassen. Da RANKL knockout
–Mäuse auch immunologische Probleme haben (diese treten allerdings
in einer frühen Entwicklungsphase auf), müssen mögliche Nebenwirkungen
unter Langzeitanwendung im Auge behalten werden. Parathormonanaloga (Teriparatid, Abaloparatid)
Während PTH physiologisch knochenabbauend wirkt und dieser Effekt bei Hyperparathyroidismus sogar verstärkt wird, kann ein therapeutisch verabreichtes PTH-Analogon erstaunlicherweise knochenaufbauend wirken. Der Unterschied liegt offensichtlich im zeitlichen Muster: die intermittierenden, kurzzeitigen Spitzen des einmal täglich verabreichten PTH-Analogons aktivieren Osteoblasten mehr als Osteoklasten und haben damit die gegenteilige Wirkung eines chronisch erhöhten PTHs. Parathormon-Analoga werden aus diesem Grund, über beschränkte Zeit, auch therapeutisch gegen Osteoporose eingesetzt, besonders, wenn infolge postmenopausaler Osteoporose bereits Frakturen aufgetreten sind. Vitamin
D und Ca2+
Um den verschiedenen Gründen für Vitamin D-Mangel
entgegenzuwirken, ist es sinnvoll, Vitamin D oral zu geben. Da das nur
wirken kann, wenn auch genügend Ca2+ im Darm vorhanden ist,
wird auch Ca2+ zur Sicherheit substituiert. Bewegung
und Licht
Körperliche Aktivität bremst das Fortschreiten
der Osteoporose wesentlich und hat zahlreiche andere positive metabolische
und psychische Effekte. Am besten wirkt Widerstands/ Impacttraining hoher
Intensität, also starke mechanische Belastung des Knochens. Leider ist das für
die meisten älteren Menschen wenig realistisch. Jede Form der Aktivität ist
aber besser als Inaktivität. Damit verbunden
verstärkt die Lichtexposition die eigene Vitamin D-Bildung. Sekundäre Osteoporose
Neben ihrem primären oder idiopathischen Auftreten kann Osteoporose auch durch eine Reihe von Grunderkrankungen
verursacht werden, wie z. B.
3.2
Rachitis und Osteomalazie
Mangel an Vitamin D führt bei Kindern zu Rachitis,
bei Erwachsenen zu Osteomalazie. In beiden Fällen wird die ausreichend
gebildete organische Matrix zu wenig mineralisiert. Die unterschiedliche
Symptomatik kommt daher, dass der kindliche Knochen noch wächst, unter
Vitamin D-Mangel zu weich ist und sich unter Belastung verformt. Bei
Kindern findet man daher Schädel-, Brustkorb- und Beinverformungen (Quadratschädel, Harrison-Furche
entlang des Zwerchfellansatzes und O-Beine) sowie weite und aufgetriebene
Epiphysenfugen und Rippenansätze (rachitischer Rosenkranz). Dazu kommen
logischerweise Zahnschmelzdefekte und funktionelle Störungen durch das
erniedrigte Serum-Calcium (Unruhe, Schwitzen, Muskelschwäche, Froschbauch,
Verstopfung, Tetanie). Die Osteomalazie des Erwachsenen führt zu Knochenschmerzen
und schleichenden pathologischen Frakturen. Rachitis und Osteomalazie
können durch Vitamin D und Ca2+-Gabe gut behandelt bzw. vermieden
werden. Gestillte Säuglinge sollten zusätzlich regelmäßig Vitamin D-Tropfen
erhalten. 3.3
Knochenabbau im Rahmen von entzündlichen Erkrankungen
Im Rahmen chronischer Gelenksentzündungen, z.
B. Rheumatoider Arthritis, sezernieren aktivierte Makrophagen IL‑1,
IL‑6 , TNFα und Prostaglandin E. Das führt einerseits zur
Induktion von Proteasen in umgebenden Zellen wie Synoviozyten, die zum
Abbau von Knorpel- und Knochen-Grundsubstanz führen. Andererseits induzieren
diese inflammatorischen Zytokine auch die Differenzierung von Osteoklasten
im angrenzenden Knochen. Dazu trägt bei, dass mehrere Zellarten im entzündeten
Gewebe, z. B. Synoviozyten und T-Zellen, RANKL exprimieren. In Summe
können diese Mechanismen zu massiven Zerstörungen des gelenknahen Knochens
führen. Derselbe Mechanismus ist für das Auftreten schmerzhafter
Zahnhälse und den schließlichen Zahnverlust durch Parodontitis (früher
"Parodontose") verantwortlich. Bakterien in Zahnbelägen am
Zahnfleischrand führen zu eine chronischen Entzündung des Zahnfleischs.
Entzündliche Zytokine induzieren Osteoklasten, die den dünnen Knochen
um die Zähne allmählich abbauen. 3.4
Morbus Paget (Osteodystrophia deformans oder Osteitis deformans)
Morbus Paget ist nach wie vor eine rätselhafte
Erkrankung, die durch umschriebene Herde mit erhöhtem, aber chaotischem
Knochenumbau charakterisiert ist. Die Knochenmasse in diesen Herden
ist oft dicht, aber wenig belastbar. In vielen Fällen ist Morbus Paget
eine Zufallsdiagnose infolge eines aus anderen Gründen indizierten Röntgenbildes,
und die Erkrankung bleibt auf einen Einzelherd in einem Knochen beschränkt.
Abhängig von Ort und Intensität kann die Erkrankung jedoch Schmerzen,
pathologische Frakturen, Wirbelsäulenverkrümmung oder neurologische
Symptome durch Nervenkompression (z. B. bei Wirbelbeteiligung, Hörverlust
bei Schädelbeteiligung), verursachen. Insgesamt ist die Erkrankung häufig
(im einstelligen Prozentbereich) und betrifft hauptsächlich Menschen
in der zweiten Lebenshälfte. Sowohl genetische als auch Umweltfaktoren
tragen zur Entstehung bei. Der Prozess beginnt mit der unphysiologischen
Überaktivierung der Osteoklasten einer bestimmten Knochenregion. Mehrere
Krankheits-assoziierte Allele wurden identifiziert, die eine solche
Überaktivierung fördern: z. B. Polymorphismen in RANKL oder in Sequestosome
1 (SQSTM1), das für die Signaltransduktion zwischen RANK und dem Transkriptionsfaktor
NFκB von Bedeutung ist. Als mögliche pathogene
Umweltfaktoren werden Ca2+-Mangel in der Nahrung und Infektionen
mit Paramyxoviren diskutiert. Keine dieser Hypothesen liefert allerdings
einen einleuchtenden Grund für die fokale Charakteristik der Erkrankung.
Die Bestimmung der knochenspezifischen alkalischen Phosphatase ist sowohl
als Suchtest, als auch für die Überwachung der Therapie von Bedeutung.
Die Diagnose wird mit Hilfe von Röntgenbildern und Knochenscans, inklusive
Szintigraphie, gestellt. Zur Therapie werden in erster Linie Bisphosphonate
eingesetzt, kombiniert mit oraler Gabe von Ca2+ und Vitamin
D, Bewegung und ausreichend Sonne. 3.5
Knochenmetastasen
Bestimmte Tumoren metastasieren regelmäßig in
den Knochen. Dazu gehören Mamma-, Prostata-, Bronchus- und Schilddrüsenkarzinom.
Offensichtlich gibt es im Knochen Faktoren, die eine Ansiedlung von
metastasierenden Zellen begünstigen. Wanderungsrouten von Zellen werden häufig durch
Chemokin-Gradienten beeinflusst. Mammakarzinomzellen exprimieren z.B.CXCR4,
den Rezeptor für Chemokin CXCL-12, das im Knochen sezerniert wird. Ein
weiterer dieser Faktoren ist der von Osteoblasten reichlich exprimierte
und feigesetzte RANK-Ligand. Mammakarzinom-, Prostatakarzinom- und Melanom-Zellen
exprimieren häufig RANK. Trimerisierung von RANK durch RANKL
induziert in diesen Zellen Migrationsverhalten und andere Metastasen-fördernde
Veränderungen. In experimentellen Metastasierungsmodellen in der Maus
konnte die Bildung von Knochenmetastasen durch Injektion von OPG weitgehend
verhindert werden. Auch das ist daher ein Hoffnungsgebiet des ähnlich
wirkenden monoklonalen Antikörpers Denosumab. Der Knochen-Tropismus hat tiefere Ursachen.
Die molekularen Veränderungen, die zur Entstehung des Primärtumors geführt
haben, haben manchmal die Aktivierung von Transkriptionsfaktoren (z.
B. Runx2) zur Folge, die Hauptschalter für die Osteoblastendifferenzierung
darstellen. Das führt dazu, dass Mammakarzinom- oder Prostatakarzinomzellen
Osteoblasten-typische Proteine wie Osteocalcin und Osteonectin sezernieren.
Sie nehmen also gewisse Eigenschaften von Knochenzellen an; wir sprechen
von Osteomimicry. Dies erleichtert wahrscheinlich,
dass sich die Metastase im Knochen entwickelt. Einmal etabliert, können Knochenmetastasen osteolytisch
oder osteoplastisch wirken. Dies hängt davon ab, ob die von den Metastasenzellen
sezernierten Faktoren Osteoklasten oder Osteoblasten stärker aktivieren.
Prostatakarzinome exprimieren häufig Endothelin-1, das Osteoblasten
stimuliert und die Knochenresorption hemmt, sodass osteoplastische Metastasen
entstehen.. Mammakarzinom-Metastasen wirken häufig osteolytisch.
Von allen Molekülen, die weiter oben als Osteoklasten-bildend erwähnt
wurden (M-CSF, RANKL, TNFα, IL-1, IL-6), wurde nachgewiesen, dass
sie in manchen osteolytischen Metastasen überexprimiert werden. Einige
Tumoren, wie Mammakarzinom, Formen des Bronchuskarzinoms, das Melanom,
oder hämatologische Tumoren, sezernieren darüber hinaus häufig PTHrP
(parathyroid-hormone-related protein). PTHrP
bindet an den PTH-Rezeptor und führt auf diese Weise zu einem Knochenabbau.
Systemisch kann das zur wegen der Wirkung auf das Membranpotential gefährlichen
Tumorhyperkalzämie führen, lokal zu einer Osteolyse, die Platz schafft
für die Ausbreitung der Metastase. Da im Knochen beträchtliche Konzentrationen
an Wachstumsfaktoren wie IGF-1 und TGFβ eingemauert sind, entsteht
so ein circulus vitiosus:
die Metastasenzellen fördern den Knochenabbau, und der Knochenabbau
fördert das Metastasenwachstum.
Metastasen treten manchmal Jahre nach Entfernung
des Primärtumors auf. Mikrometastasen aus einzelnen oder wenigen Zellen
sind also in der Lage, in Rückzugsgebieten des Körpers lange Zeit zu
überleben. Manche Daten sprechen dafür, dass Knochenmark häufig dieses
Rückzugsgebiet darstellt. Die
oberste Hierarchiestufe der hämatopoetischen Stammzellen im Knochenmark
stellen Zellen dar, die in einer Art Dornröschenschlaf liegen (dormancy oder quiescence).
Aus dieser G0-Phase werden die Zellen nur geweckt, wenn plötzlich ein
sehr ausgeprägter Bedarf nach Mehrproduktion von hämatopoetischen Zellen
besteht. Eine solche Situation wird z. B. durch einen plötzlichen Anstieg
des Wachstumsfaktors G-CSF angezeigt (rekombinantes G-CSF wird auch
zur Stammzellmobilisierung in Spendern eingesetzt). Nach wenigen Teilungen
gehen diese Stammzellen zurück in den Dornröschenschlaf. Der Sinn dieses
Tiefschlafs ist, dass die Zellen ihre DNA fast nie replizieren. Damit
gibt es für diese lebenswichtigen Stammzellen kaum Gelegenheit zu Mutationen
durch Fehleinbau von Basen. Was hält eine geringe Zahl von Stammzellen
in diesem Tiefschlaf? Vieles spricht dafür, dass umgebende Zellen im
Knochen eine sogenannte Stammzellnische bilden. Diese Nische ist eher
funktionell als anatomisch ausgeprägt und besteht aus einer Mikroumgebung
von Zellen, die der Stammzelle signalisieren, im Tiefschlaf zu bleiben.
Solche Stammzellnischen liegen nahe der Grenzfläche zwischen Knochen
und Knochenmark, dem sogenannten Endost, und enthalten eine Sonderform
des Osteoblasten: Spindle-shaped,
N-cadherin positive osteoblasts (SNO). Nach einer Hypothese zur
Erklärung des jahrelangen Überlebens von Mikrometastasen im Körper wäre
es nun möglich, dass einzelne metastatische Tumorzellen in eine hämatopoetische
Stammzellnische geraten und dort ebenfalls in den Dornröschenschlaf
versetzt werden, aus dem sie noch nach Jahren erwachen können. ***
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QUELLEN UND WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Höfler G. et al. (Hrsg.): Pathologie, 6. Auflage, Urban und Fischer, 2019 Schwarz et al. (Hrsg.): Pathophysiologie, Maudrich, Wien, 2007 Siegenthaler W. und Blum H. E.(Hrsg.): auf Englisch: Kumar V. et al. (eds.): Robbins and Cotran Pathologic Basis of Disease, 10th Edition, Saunders, Philadelphia, 2020 Boron W. F. and Boulpaep E. L. (eds.): Medical Physiology, 3rd Edition, Elsevier, Philadelphia, 2016 |